TikToks, Reels, Shorts

Plattformlogiken, KI und Verstärkereffekte verstehen

360 Stunden Video pro Minute

1296000 sec

1 sec

recommender

Überblick

  1. Wer, Wie, Was - Warum - Recommender?
  2. Egal, Hauptsache Engagement!
  3. Konsum-Amplifier
  4. Algometrie - Lets play!

Zentrale Fähigkeiten von Recommendersystemen

  1. Items kategorisieren
  2. User analysieren
  3. Beziehungen modellieren
  4. Rankings erstellen
  5. Vorhersagemodelle verbessern

1. Items kategorisieren

d.h., "Verstehen", was ein Video zeigt und was für ein Video das ist.

Das System muss erkennen:

Ist das ein Tanz, ein politischer Kommentar, ein Beauty-Tutorial oder ein wütender Monolog?

➡️ Dafür analysiert das System Bild, Ton, Text.

2. User analysieren

d.h., "Beobachten", wie Menschen auf Videos reagieren

Das System merkt sich:

  • Wer hat wie lange geschaut?
  • Wurde geliked, geteilt oder kommentiert?
  • Wurde gleich weitergewischt?

➡️ Es „lernt", welche Inhalte einen Account wirklich interessieren – und welche nicht.

3. Beziehungen modellieren

d.h., Zusammenhänge zwischen Menschen und Videos erkennen

Das System versucht zu verstehen:

„Aha, Menschen, die Video A mochten, mochten oft auch Video B."

➡️ Es bildet so Cluster von ähnlichen Videos und Accounts, ohne dass wir Einsicht haben.

4. Rankings dynamisch erstellen

d.h. schnell entscheiden, was du als nächstes sehen wirst

Das System bewertet aktuell Millionen von Videos:

„Welches davon passt jetzt genau zu dir – basierend auf deinen bisherigen Reaktionen?"

➡️ Es will möglichst genau vorhersagen: „Was hält einen User am längsten auf der Plattform und erzeugt Engagement?"

5. Vorhersagemodelle verbessern

d.h. es lernt über eine dauerhafte Feedback-Schleife

Wenn du aufhörst, bestimmte Inhalte zu schauen oder neue Interessen zeigst, merkt es das.

➡️ Es passt sich ständig an – dein Feed verändert sich mit dir.

Diese Systeme sind nicht neutral

Sie zeigen dir das, was dein Nutzungsverhalten bedient, nicht unbedingt das, was du brauchst oder suchst.

Das bedeutet:

  • du mehr Ähnliches siehst
  • kontroverse/emotionale Inhalte überbetont werden
  • Inhalte „unsichtbar", wenn du nicht darauf reagierst

Machine Learning Technologien

 „Welche Inhalte sollen diesem Account als Nächstes angezeigt werden?"

Dazu analysiert es komplexes Nutzerverhalten und vielfältige Inhaltsmerkmale und lernt daraus Wahrscheinlichkeiten:

  • Wie wahrscheinlich ist es, dass du das nächste Video zu Ende schaust?
  • Oder likest, kommentierst, folgst?

Was ist Engagement?

"Different factors have different importance, in different contexts."
Todd Beaupré (Senior Director Product Mgnt. Google)

  Engagement ist ein messbares Signal. 

Maschinelles Lernen braucht Zahlen – und Engagement liefert diese.

Das Modell gewichtet diese Signale, lernt ihre Zusammenhänge mit Inhaltsmerkmalen und optimiert den Feed daraufhin.

Engagement-Signale (1/4)

Engagement-Signale (2/4)

Engagement-Signale (3/4)

Engagement-Signale (4/4)

Maschinelle Lernlogik

Nutzungssignale (User-Engagement) steuern Lernprozesse

Modell analysiert Videoinhalte (gewichteter Merkmalkatalog)

Modell analysiert Account-Verhalten (Reiz-Reaktion)

Empfehlung wg. nutzungsseitiger Signale, nicht inhaltl. Werte, 

 

Modell lernt: „Welche Kombinationen von Merkmalen erzeugen welches Verhalten?"

Optimierung: „Zeige mehr von dem, was Engagement erzeugt."

Zielsetzung: Maximierung von Verweildauer und Aktivität.

Psychologie des Engagements

Engagement ist ein Ausdruck von Affekten und emotionalen Reaktionen, aber kein Beweis für Inhaltsqualität, Zustimmung oder Aufklärung.

Engagement ≠ Zustimmung oder Qualität

 

Beispiel: Ein provokantes, falsches oder hetzerisches Video kann Wut auslösen, und genau deshalb interagiert das Publikum stark – um zu widersprechen, sich aufzuregen oder es weiterzuleiten.

Strategische Interaktionsoptimierung

Emotionale Überladung

Inhalte, die Wut, Angst, Nostalgie oder Staunen hervorrufen, performen oft besser.

Manipulative Aufrufe

„Schreib 'Amen' in die Kommentare", „Like, wenn du das auch so siehst", „Tagge jemanden, der das braucht"

Clickbait-Formulierungen

Titel/Thumbnails versprechen mehr, als der Inhalt hält.

Strategische Interaktionsoptimierung

Kontroversen Schüren

Polarisierung erzeugt Kommentare und Reichweite.

Kommentare Provozieren

Offene Fragen, absurde Thesen und Reizthemen animieren zu Diskussionen.

 Trends Recyclen

Verwendung populärer Sounds, Memes oder viraler Clips mit minimalem Eigenanteil

Engagement und Verstärkereffekte

Ursache

Wirkung

Optimierung auf Engagement

Feedback-Loop

Ähnlichkeitslernen

Interfacedesign

Fehlende inhaltliche Bewertung

Schnelle, emotionale Inhalte bevorzugt

Erste Erfolge massiv verstärkt

Ausspielen bekannter Inhalte

Reflexartiges Feedback 

kein Filter für Richtigkeit oder Qualität

Engagement - nur ein Baustein in Software-Architektur, die verschiedene Verstärkereffekte erzeugt.

Recommender wurden Designed

Technische Designs sind nie neutral.

Der Verstärkereffekt lässt ggf. bremsen durch:

  • andere Zielgrößen (z. B. Zufriedenheit statt Engagement)
  • Algorithmen, die inhaltliche Vielfalt betonen
  • Medienbildung, die diese Systeme verstehbar macht
  • geänderte Nutzungsweisen (reflektierend statt reaktiv)

Was Plattformen könnten

jenseits von Watchtime & Wut:

  • Inhaltliche Präferenzen selbst angeben & gewichten
  • Differenzierte Accounteinstellungen ermöglichen
  • Empfiehl mir Ähnliches-Buttons zur aktiven Steuerung
  • Topic-Feeds statt personalisierter Feeds wie bei Bluesky
  • Follower-basierte Gewichtung wie bei Mastodon
  • Abonnementbasiert wie bei YouTube
  • Regel-/Communitybasiert wie Discord/Mastodon

Orientierung durch redaktion

Was wäre, wenn wir nicht nur auf Algorithmen vertrauten?

 

Alternativen im Empfehlungsdesign:

  • redaktionelle Netzwerke technisch abbilden (ÖRR, Presse, Recherchenetzwerke)
  • Verifizierte Quellen/Wissen bevorzugen und ausweisen
  • Menschen statt Maschinen moderieren Inhalte

...wären da nicht diese Netzwerkeffekte

Warum bleiben wir trotzdem bei TikTok, Insta, YouTube & Co.?

Netzwerkeffekte = Je größer das Netzwerk, desto größer der Nutzen für alle.

  • Reichweite & Sichtbarkeit gibt es dort, wo die Masse ist
  • Interaktion entsteht da, wo sich bereits viele Menschen bewegen
  • Viralität folgt der algorithmischen Plattformlogik
  • Gewöhnung & Komfortzonen erschweren Plattformwechsel

Für zivilgesellschaftliche Akteure gilt:

Wir agieren in bestehenden Systemen – aber wir können sie reflektiert, kreativ und wertebasiert nutzen.

→ Jetzt steigen wir gemeinsam in die Methode „Algometrie" ein.

Methode - Algometrie

Methode - Algometrie

Methode - Algometrie

Vielen Dank!

Fragen & Diskussion

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